Billyne, Hermanka und Hermanni

Helga Heinze.

Die Muskauer Kirchenbücher enthalten die drei wichtigen Vorgänge im Leben eines Christen: Taufe, Hochzeit und Tod. Der jeweilige Pfarrer notierte dazu, was er als bemerkenswert einschätzte. Beim aufmerksamen Lesen lassen sich im 17. Jahrhundert viele Information finden, die Einblicke in das damalige private und gesellschaftliche Leben der Muskauer Bürger geben. 

Als Wertschätzung der Taufpaten gaben die Eltern oft deren Namen an ihr Kind weiter. Grundsätzlich standen zur Taufe drei Paten. Es konnten jedoch mehr sein, wenn es sich um einen Frühling – einen zu früh geborenen und besonders schwachen Säugling – handelt. Auch sogenannte Hurenkinder – Kinder von Frauen, die keinen Ehemann nachweisen konnten – erhielten stets mehr als drei Paten. Oft mussten der Pfarrer oder die Bademutter – Hebamme – Pate stehen, weil Eile geboten oder die Gebärende hier nur auf Durchreise war. Die Kinder der Muskauer Standesherrn besaßen eine ihrer Stellung entsprechend große Anzahl an Paten, die dem Adel entstammte und sich in vornehme Herren und Frawenzimmer unterteilte. Bei der Taufe des dritten Kindes Curt Reinicke von Callenbergs (1607-1672) nahmen 1658 Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen sowie seine Gattin jeweils die erste Patenstelle ein, ihnen folgten insgesamt 20 weitere Paten edlen Geblüts. 

Die Bediensteten am Muskauer Hof baten ihren Standesherrn als Paten und gaben ihren Söhnen aus Hochachtung den Vornamen Curt Reinicke, wie 1657 der Hofjunker Joachim von Metzrath und 1658 der Kammerdiener Martin Götze.1

          Ältestes Kirchenbuch ab 25. März 1646, Titelblatt.

Muskauer Töchter erhielten von ihren Eltern meist den Vornamen einer der Patinnen. Wenn Fürstin Lucie von Pückler-Muskau als erste Patin stand, bekam das Mädchen den Vornamen Lucie. Doch was sollten die Eltern tun, wenn sie als Hauptpaten für ihren weiblichen Täufling einen Mann erwählt hatten? Zu jedem männlichen Vornamen gab es auch eine weibliche Entsprechung, die manchmal etwas ungewohnt klingt, wie Benjamine, Gebhardine, Gottliebe oder Bertholde. Zwei Muskauer Mädchen erhielten den höchst ungewöhnlichen und bis dahin unbekannten Vornamen Billyne. Als erste erhielt ihn die 1844 geborene Tochter des fürstlichen Kammerdieners Johann Eduard Louis Marco mit seiner Frau Liddy. Als zweite die 1845 geborene Tochter des Maurers Gustav Ludwig Clemens Krüger mit seiner Frau Johanne Auguste Bertholde.2 Aufklärung zu diesem besonderen Vornamen bringt die Patenliste. An erster Stelle steht nämlich Billy Masser – der kleinwüchsige Kammerdiener der Fürstin Lucie von Pückler-Muskau. Über ihn schrieb der Muskauer Lehrer Paul Herkner: „Ein Hauptmann der damaligen Garnison Sorau brauchte unsere Moorbäder und brachte den kleinen Wilhelm Masser als Seltenheit mit. Die Fürstin, des Gatten Vorliebe für Außergewöhnliches kennend, entschloß sich sogleich, den Zwerg als Diener anzunehmen. […] Er zeigte sich reich begabt an Verstand und Gemüt […] fein gekleidet (in spanischer, Bergknappen- oder Frack-Kleidung).“3 Heinrich Wilhelm war der einz. Sohn des Webers Gottlieb Erdmann Masser in Naumburg am Bober,4 nordöstlich von Sorau. Der Name Billy entstand aus seinem zweiten Vornamen Wilhelm, den der Fürst inspiriert von seiner Englandreise in William – kurz Billy – umbenannte. Leider war den nach ihm benannten Mädchen kein langes Leben beschieden. Billyne Josephine Auguste Krüger starb bereits nach vier Jahren infolge erlittener Brandwunden. Henriette Caroline Therese Billyne Marco wurde nicht einmal ein Jahr alt. Da Billy Masser als „Geheimer Privatsekretär“ seiner Herrschaft, die Muskau 1845 verkaufte, mit ihnen auf den Alterssitz Branitz bei Cottbus zog, gab es hier auch kein Kind namens Billyne mehr.

Brief-Prägestempel der Fürstin, Lucie von Pückler-Muskau, 
1842

Graf Hermann von Pückler-Muskau als Paten für sein Kind zu gewinnen, stand hoch im Kurs. Sein Privatsekretär August Röhde – einziger Sohn des 1812 verstorbenen Muskauer Hofrats Justus Röhde – besaß vorher die Stelle des Hofintendanten der Fürstin von Carolath-Beuthen – Lucie von Pücklers Tochter erster Ehe. Ende des Jahres 1814 vermählte er sich eilends mit der Muskauer Fleischhauertochter Johanna Dorothea Reich. In der Regel benötigte ein Brautpaar nach dem ersten Aufgebot eine dreiwöchige Wartezeit, um eventuelle Einsprüche gegen diese Verbindung zu ermöglichen. Doch wurden beide durch „Hochgräflich Pücklersche Consitorial-Erlaubniß zum 1., 2ten u. 3ten male zu gleich proclamirt u. aufgeboten.“5 Der Grund für diese schnelle Verbindung zeigte sich im März darauf, als ihr Töchterchen zur Welt kam. Aus Hochachtung für den ersten Paten Graf Hermann von Pückler-Muskau – in Abwesenheit Inspektor Leopold Schefer vertreten – gaben ihr die Eltern den Namen Bertholde Mariane Hermanka. Eine weibliche Entsprechung des Vornamens Hermann lautete also Hermanka. Da dieses Töchterchen starb, erhielt das zweite 1820 geborene die Vornamen der drei Paten 1. Fürstin Adelheid von Carolath geb. Gräfin von Pappenheim (Tochter von Pücklers Ehefrau Lucie), 2. Graf Ludwig Heinrich Hermann von Pückler und 3. Comtesse Helmine von Pückler (Pflegetochter von Pücklers Ehefrau Lucie) und hieß nun Adelheid Helmine Hermanni.6 Mit Hermanni entstand die zweite weibliche Entsprechung des Vornamens Hermann. 1822 kam die Tochter des Muskauer Tischlermeisters Carl Gottlob Gerber zur Welt. Auch sie erhielt den Taufnamen Hermanka.7 Mit 26 Jahren heiratete Hermanka Gerber 1848 den Schlossermeister Adolph Paeschke, starb mit 63 Jahren und hinterließ fünf Kinder. 

In den Liebesgeschichten, die sich um Hermann – nun Fürst – von Pückler-Muskau ranken, tritt auch Helmine von Lanzendorf auf – die angebliche Pflegetochter seiner Ehefrau Lucie. Als Helmine nach der Hochzeit mit Freiherrn von Blücher im August 1825 ein Töchterchen zur Welt brachte, stand das Ehepaar von Pückler ganz oben auf der Liste der zehn Paten. Das Kind hieß Lucie Hermanka. Die weiteren Vornamen Henriette Adelheid Emma Auguste Caroline Gebhardine trugen die anderen adeligen Paten bei.8

Später kommt im Städtchen Muskau weder eine Hermanka noch eine Hermanni zur Welt. Johann Gottlob Berndt – Leibkutscher der Gräfin Lucie – beweist den herrschaftlichen Paten seiner Kinder die Ehre, indem er seine 1833 geborene Tochter Johanna Maria Lucie und seinen 1841 geborenen Sohn Johann Gottlob Hermann nennt.9

Quelle:

1 Trauungen und Taufen 1646 – 1761 Muskau und Burglehn.

2 Taufregister 1831 – 1850 Stadtkirche.

3 Muskauer Anzeiger, „Rhabarber – Rhabarber.“, o.D. 

4 Taufregister 1831 – 1850 Stadtkirche

5 Taufen 1800 – 1830

6 Ebd.

7 Ebd.

8 Ebd.

9 Taufregister 1831 – 1850 Stadtkirche

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