Das Rätsel um das Fuhrmannsbild aus Poferl Liesels Kneipe 
Helga Heinze, Krauschwitz

Aus dem Nachlass der früheren Muskauer Gastwirtin Liesel Poferl gelangte Ende der 1980er Jahre ein Fuhrmannsbild als Schenkung an das Bad Muskauer Stadt- und Parkmuseum. Bis dahin hing es im Schankraum von vormals „Lauterbachs Gaststätte“, woran sich viele alte Muskauer sicher noch erinnern werden. Angeblich sollen es Fuhrleute, die zur Leipziger Messe unterwegs waren, mitgebracht haben. Aufgrund des kleinen Hinterhofs mit dem anschließenden Berghang, spannten die Kutscher „gegenüber auf dem Gelände von Gaststätte Worreschke“1 aus. In der Zeit, als ausschließlich Pferde dem Transport von Personen und Waren dienten, gab es in Muskau neben Hotels und Restaurants spezielle Kutscherkneipen. Fast alle Gasthöfe besaßen einen „Gaststall“, der größte bot Platz für 100 Pferde.2 Im 19. Jahrhundert fand für diese Berufsgruppe im Gasthof „Schützenhaus“ im Norden der Stadt jährlich ein Kutscherball statt. 

Das 114 x 55 cm große Bild mit dem Spruch „Fährt man mit Gott auf seinen Wegen, Giebt er uns seinen Schutz und Segen,
C. Hennersdorf“ bezieht sich ebenfalls auf den Berufstand der Fuhrleute. Unter der Inventarnummer V 808 K1 kam es in den Bestand der städtischen Sammlung. Der Maler Johann Samuel Erler aus Colmnitz bei Freiberg hat sich so versteckt im unteren Teil des Bildes verewigt, dass man die Buchstaben schwer von den Gräsern unterscheiden kann. Das farbenfrohe, in Aquarell- und Deckfarbenmalerei gefertigte Blatt hängt leihweise wieder in der alten Lokalität im Frühstücksraum der Pension arkstübel. Gerahmt unter einer Glasscheibe gelang leider nur ein mäßiges Foto. 

Muskauer Anzeiger, 13. Februar 1886

Fuhrmannsbild von Johann Samuel Erler aus dem Gasthaus von Liesel Poferl in Muskau


Detailgetreue Darstellung der vielen Utensilien unter dem Wagen, Bildausschnitt 
Fuhrmannsbild von Johann Samuel Erler, Privatsammlung 

Bei einer Durchsicht der früheren Bestände des Schloss- und Parkmuseums rückte dieses Bild wieder in den Focus unseres Vereins. Daraufhin begaben wir uns auf Spurensuche. Sowohl das Dresdener Volkskundemuseum (zwei) als auch das Lohgerbermuseum in Dippoldiswalde (eins) besitzen solche Fuhrmannsbilder, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden. In Freiberg sollen noch in den 1980er Jahren etwa 100 Bilder in den Gaststätten existiert haben. Auch bei privaten Sammlern lassen sich einige Stücke entdecken, was auf den unglaublichen Fleiß dieses Malers hinweist. Dank der Nachforschungen von Dr. Michael Feller (†) aus Dresden Leubnitz konnten wir etwas mehr über ihn erfahren.
Johann Samuel Erler lebte als Schmiedemeister von 1808 bis 1879 in Colmnitz bei Freiberg. Inspiriert durch seinen Beruf malte er in seiner Freizeit die sogenannten Fuhrmannsbilder, „mit denen er aus heutiger Sicht den Fuhrleuten und dem Fuhrwesen des 19. Jahrhunderts ein Denkmal gesetzt hat. Als Schmied auf dem Lande war er vor allem Hufschmied und hatte dadurch Kontakt zu den Bauern und Fuhrleuten aus dem Dorf oder der Umgebung. Seine außerordentlich farbenfreudigen Bilder, auf denen Hörnerkumte als auch das mit blankgeputzten Messingbeschlägen verzierte Geschirr detailgetreu wiedergegeben waren, trugen ihm den Spitznamen ,Gimpelmaler‘ ein. Sie hingen vor allem in Fuhrmannsgasthöfen und waren vermutlich auf Bestellung der Inhaber […] gemalt worden.“ 3 Immer ließ Erler einen weißen Hund im Bild agieren, mal läuft er voraus, mal hinterher und mal mittendrin wie auf dem Muskauer Bild.

Gastwirtin Liesel Poferl, im Spiegel hinter ihr Horst Großmann mit Fotoapparat, um 1950          

An dieser Stelle kommt der Hinweis zu den Gasthöfen, in einem solchen sich ja unser Bild dereinst befand. Nun blieb noch zu klären, in welchem Zusammenhang dieses Fuhrmannsbild mit dem ehemaligen Gasthof stand. Dabei stellt sich die Frage zum Familiennamen Hennersdorf, der in der Gegend um Rietschen beheimatet war und noch ist. Um dieses Rätsel zu lösen, halfen zuerst die Kirchenbücher. Carl Hennersdorf stammte tatsächlich aus Niederprauske bei Rietschen und heiratete in Muskau 1848 mit 29 Jahren die 40-jährige Bäckerwitwe Eleonore Freund, gebürtig von Neuhammer bei Rietschen.4 Beide bewohnten das einst brauberechtigte Haus ­­– heute Kirchstraße 53. Zunächst handelte Carl Hennersdorf mit Gemüse, doch schon 1865 fand er als Schankwirt Erwähnung. Sicherlich besaß er auch ein Fuhrwerk, um seine Waren zu transportieren. Aus diesem Grund trug er auch die zusätzliche Berufsbezeichnung „Spediteur“. Später halfen ihm seine Schwiegersöhne Friedrich Stempel und Ferdinand Greiner sowie des letzteren Schwiegersohn Albert Greiner, der den Gasthof bis zum Verkauf an den Handelsmann Ernst Lauterbach führte. Durch den frühen Tod Lauterbachs im Jahre 1913, musste sich seine Witwe Marie mit ihren Töchtern Elly und Lisbeth – kurz Liesel genannt – ums Geschäft kümmern. Als Liesel ihren Mann Herbert Poferl heiratete, wusste sie noch nicht, dass sie ihn im Februar 1943 als Obergefreiten verlieren und mit ihren Töchter Edith und Ute zurückbleiben wird.

Nach Kriegsende betreute sie wieder ihre Gäste, die abends gerne zur „Poferl-Liesel“ kamen. Seit 1988 unter Gastwirt Norbert Lehnigk als „Parkstüb’l“ betrieben, ist das Lokal seit 2014 eine Pension. Die Geschichten zu allen anderen Muskauer Gaststätten sollen vielleicht später in eine Publikation einfließen.

 

Quellen:
1 Freundeskreis Historica Bad Muskau e.V., Zettelkasten Werner Manno, Inf. von Theodor Schneider 1988.
2 Leipziger Zeitungen, Verpachtungsanzeige, 2. Februar 1758.
3 Feller, Michael: Johann Samuel Erler In: Dresdener Stadtjournal Südhang III/2003 Mai/Juni, S. 11.
4 Evangelische Kirchengemeinde Bad Muskau, Stadtkirche Muskau: Trauregister 1831 bis 1870.

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