Der Muskauer Anzeiger – eine Zeitung mit Geschichtspotential
Helga Heinze, Krauschwitz

Wollte die Muskauer Herrschaft etwas sachsenweit bekannt machen, wie zum Beispiel 1758 die Verpachtung ihres Gasthofes „Zum schwarzen Greif“, so inserierte sie in den „Leipziger Zeitungen“. Regionale Nachrichten zu Muskau konnte man im 19. Jahrhundert im „Sorauer Wochenblatt“ sowie im „Rothenburger Kreisblatt“ finden. Zur gleichen Zeit erschien in Görlitz wöchentlich die „Oberlausitzer Fama“ jeweils am Donnerstag. Ab 1821 gab J. G. Mendel in Görlitz das „Muskauer Wochenblatt“ heraus, dessen Herstellung ab 1847 der Buchdrucker Julius Müller in Muskau übernahm. Nun besaß die Stadt Muskau eine eigene Lokalzeitung, die ab 1853 einmal wöchentlich unter dem bis heute bekannten Namen „Muskauer Anzeiger“ erschien. Als im Jahre 1868 der aus Sorau stammende Buchdrucker Edwin Donath die Herstellung des Anzeigers von Müller übernahm, erschien er zweimal wöchentlich, ab 1910 sogar dreimal in der Woche. Edwin Donaths Buchdruckerei nebst Papier- und Schreibwarengeschäft befanden sich anfangs im Stadthaus am Markt Nr. 6, direkt neben dem Hotel Stadt Berlin. Er hielt ein reichhaltiges Angebot an Tinten, Formularen und ausgesuchten Papierwaren bereit. Nach 1908 war er in der Sorauer Straße Nr. 36 – heute Clara-Zetkin-Straße 3 – zu finden.
Der beliebte „Muskauer Anzeiger“ trug auf der Titelseite den wilden Mann aus dem Stadtwappen. 1881 hatte er eine Auflage von 600 Stück, das Jahres-Abonnement kostete vier Mark. Zu dieser Zeit hatte die Stadt inclusive Burglehn 3074 Einwohner.1 
Den Ersten Weltkrieg überstand die Zeitung, doch ab 1. Januar 1944 endete die Herausgabe des „Muskauer Anzeigers“. Nach der Evakuierung Muskaus kehrte Edwin Donath nicht mehr hierher zurück. Die im Büro der Druckerei gelagerten und gebundenen Jahrgänge dienten in der Nachkriegszeit als Heizmaterial.2 Wie schade! 
Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass der Anzeiger am 3. Oktober 1990 nach 45 Jahren mit dem alten Kopfbogen neu erschien. Das gelang durch die Initiative des Stadtvorstehers Erhard Benning – Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Muskau – gemeinsam mit einer Gruppe interessierter Bürger. Bis heute erfreut der Anzeiger als Mitteilungsblatt der Stadt Bad Muskau seine hiesigen und weit entfernten Leser. (s. Muskauer Anzeiger Nr. 302, 15. Oktober 2015)

Titelbild des Muskauer Anzeigers von 1879

Anzeige in den Leipziger Zeitungen, 1758

Anzeige des Buchdruckers Julius Müller in Muskau, 1857

Muskauer Anzeiger, 15. November 1876       Muskauer Anzeiger, 12. September 1883

Eine regionale Zeitung wie der „Muskauer Anzeiger“ enthielt Informationen zu Handwerk, Gewerbe, Kultur, Katastrophen, Kriminalität aber auch zu Personen der Stadt sowie der Standesherrschaft. Nicht nur der Anzeigenteil, sondern auch die Rubrik „Lausitzisches und Schlesisches“ boten Nachrichten zu Muskau und den umliegenden Orten. Der Herausgeber Edwin Donath startete 1883 einen Aufruf, indem er bei seinen Lesern leihweise um vorhandenes Geschichtsmaterial bat. Seine über längere Zeit veröffentlichten Fortsetzungsbeiträge zur „Chronik von Muskau“ kamen sehr gut an. Geschichtsinteressierte Muskauer wie Manno, Dammerow und Simon schnitten diese Artikel aus und klebten sie in Alben ein. Auch heute bildet der „Muskauer Anzeiger“ neben den Akten der Standesherrschaft und den Kirchenbüchern eine wichtige Forschungsgrundlage. Dabei ist es geboten, die Aussagen im Anzeiger auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, denn manchmal war Papier eben auch geduldig. 

Sehr bedauerlich ist die Tatsache, dass in keiner Bibliothek eine komplette Sammlung des „Muskauer Anzeigers“ existiert. Nur wenige Ausgaben sowie die oben erwähnten oft undatierten „Geschichtsschnipsel“ haben sich erhalten. Doch vor einigen Jahren gab uns der Hinweis eines „alten Muskauers“ in Berlin neue Hoffnung. Er führte uns in die Schlesische Abteilung der Universitätsbibliothek Breslau. Zwar liegen dort die Jahrgänge des Anzeigers nicht lückenlos vor, doch schien es wichtig, diesem Hinweis nachzugehen. Schon im Vorgriff konnten wir per Internet die Sammlung einsehen und eine Bestellung absenden. Mit großer Erwartung machten wir uns auf den Weg in die Stadt an der Oder. Uns empfing ein sehr modernes lichtdurchflutetes Gebäude voller junger Studierender. Nach dem Anmeldungsprozedere lagen die alten braunpapiernen Anzeiger auf unseren Arbeitstischen. In drei Tagen gelang es Holger Klein und mir, 13.000 Seiten des Anzeigers abzulichten. Manche Jahrgänge lagen in gebundener Form, manche als lose schon etwas bröckelnde Einzelausgaben vor. Nach den drei Tagen im Archiv kehrten wir mit 27 kompletten Jahrgängen im Gepäck nach Hause zurück. Nun beginnt die Arbeit des Durchlesens, Ausschnippelns und Zuordnens. Aufgrund der Menge nimmt diese Tätigkeit wahrscheinlich noch ein bis zwei Jahre in Anspruch. Schon jetzt ist abzusehen, dass die Geschichte Muskaus dadurch eine riesige Bereicherung erfährt. Sie dürfen gespannt sein.

Arbeitsplatz im Archiv der Universität Wrocław/Breslau, 2024

Quellen:
1 Muskauer Anzeiger, 11. Dezember 1880.
2 Inf. Werner Manno (†), 2010.

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