Bernhard Winkler – Hoffotograf, Fleischbeschauer und Erfinder
Helga Heinze, Krauschwitz

Die Geschichte der Fotografie in Muskau begann neben Friedrich Heinrich Woch – in einen gesonderten Artikel – mit Ernst Bernhard Winkler. Er hatte sich hier als Fotograf mit eigenem Atelier niedergelassen und wirkte etwa 30 Jahre in unserer Stadt. Aus seinem Privatleben ist wenig überliefert. Mit seiner Frau Friederike Wilhelmine geb. Kiese ließ er 1868 das siebente Kind Augusta Ida und 1870 das achte Kind Anna Martha in der evangelischen Stadtkirche taufen. Seine ältere Tochter Emilie Antonie heiratete 1886 in Muskau den gräflichen Förster Johannes Trier aus Mocholz bei Rietschen.1
Neben seinen vielen qualitativ hochwertigen Fotos hat Winkler noch mehr Bemerkenswertes aus seinem umfangreichen Tätigkeitsfeld hinterlassen. 1869 kaufte er das Haus des Tischlermeisters Carl Gottlob Reinicke in der Berliner Straße 226 – kurz vor der Brauerei an der Ecke Braugasse gelegen. Hier eröffnete er 1872 sein neu eingerichtetes Atelier, das sich als Wiege der Muskauer Fotografie zeigte, denn nach Winklers Weggang 1897 mieteten sich der Fotograf Eugen Rosenthal und 1908 der Fotograf Hugo Lapp hier ein. Dieses geschichtsträchtige Hausgrundstück überstand den Zweiten Weltkrieg nicht. 
Um ohne elektrische Beleuchtung beste Vorausetzungen für gute Aufnahmen zu schaffen, musste Winkler die hellste Tageszeit nutzen. Dazu richtete er sich sein Glashaus so ein, dass es nördliches Licht empfing. Auch bat er seine Kundschaft je nach Jahreszeit nur zu bestimmten Stunden zum Fotografieren ins Atelier. In einer Werbeanzeige für Weihnachts-Fotos legte er die beste Zeit für Dezember in einer Anzeige fest, „Zwischen 12 und 2 Uhr zum Photographen!“2

Papierabzug einer Stereoaufnahme, Kohleabbau ehemals Alaunwerk, Bernhard Winkler, 1875 

Bei seiner Arbeit entwickelte er den Ehrgeiz, „Bilder unter dem ersten Range nur auf specielles Verlangen“3 herauszugeben. Aufgrund neuerster Fototechnik war er in der Lage, neben Portraitaufnahmen auch „Landschafts-, Architektur- und Interieur-Photographien“4 anzubieten. Einen besonderen Stellenwert nahmen seine 1875 gefertigten Stereobilder ein, die er entweder durch Doppelaufnahmen oder durch eine Specialkamera mit zwei Objektiven herstellen konnte. Durch das Stereoskop betrachtet, erzeugten die Bilder einen räumlich erscheinenden Eindruck. Von den einst 52 auch als Doppelbilder bezeichneten Stereo-Fotos haben sich im Fundus des damaligen Muskauer Stadt- und Parkmuseums 47 in Papier auf Pappe erhalten und zählen somit zu den ältesten fotografischen Aufnahmen von Stadt, Park und Umgebung. Auch besondere Ereignisse, wie die Enthüllung des Maßmann-Gedenksteins oder merkwürdige Unfälle hielt er fest. So fotografierte er 1877 den an der Eisenbahnstrecke Weißwasser Muskau gefundenen Kopf eines unbekannten Mannes oder den, der 1884 versuchte, sich auf dem Muskauer Friedhof zu erschießen und danach im Krankenhaus zu Muskau verstarb. Das mag uns heute etwas befremdlich erscheinen, doch wie sich herausstellte, konnte Winkler als Vorreiter der Pressefotografie bei der Aufklärung dieser Todesfälle mithelfen. Neben der hiesigen Bürgerschaft konnte er durch die Existenz des Kurbades auch auf auswärtige Kundschaft setzten. Hier, wo Adel, Militärs und reiches Bürgertum kurten, bot er Portrait- und Gruppenaufnahmen an. „6 Stück Visiten-Portraits 3 M. 13 Stück dito 6 M.“5 Diese Visitenkartenfotos „Carte de Visite“ auf Pappe gezogen in einer Größe von ca. 6 x 9 cm dienten zum Verschenken und landeten dann in entsprechend gestalteten Fotoalben, wobei sich die Werbung des Fotografen unter dem Foto zeigte. Hierbei arbeitete Winkler mit dem Muskauer Buchdrucker Alwin Ahner zusammen, von dem er seine Fotopappen mit Werbung bedrucken ließ, wie es einige Erzeugnisse mit dem Schriftzug „A. Ahner, Muskau“ nachweisen.

Werbung auf der Rückseite einer Carte de Visite, Foto auf
Pappe 6 x 9 cm, ab 1876

Durch Prinz Friedrich der Niederlande, dem die Standesherrschaft zu dieser Zeit gehörte, erhielten mehrere Muskauer Bürger den Titel eines Hoflieferanten. So konnte Bernhard Winkler ab 1876 mit der Bezeichnung „Hof-Photograph Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Friedrich der Niederlande“6 werben. Im selben Jahr hatte sich eine Konkurrenz in Person des Fotografen W. Riedel, der auch in Cottbus und Spremberg ein Atelier besaß, hier niedergelassen. Für einige Tage in der Woche mietete sich Riedel in Rolkes Hotel ein, um hier am Parktor neben der Neißebrücke Kundschaft zu empfangen. Im Muskauer Anzeiger warb Riedel beispielsweise mit Portraits bis zu „Lebensgröße in vollendeter Ausführung.“ Dazu reagierte Winkler sofort mit einer Gegenanzeige: „[…], daß die Photographie den Standpunkt noch nicht erreicht hat, um lebensgroße Photographien vermittels direkter Aufnahmen mit Vortheil herstellen zu können.“7 Hierzu erwähnte er den Brandenburger Hof-Fotografen Schwarz, der sich darin einen guten Ruf erworben hatte, jedoch nicht von „vollendeter Ausführung“ sprach. Konkurrent Riedel inserierte bis 1877, danach trat er im Gegensatz zu Winkler nicht mehr im Inseratenteil auf und hatte sich also aus Muskau zurückgezogen.

Beleuchten wir nun die weiteren Aktivitäten von Hof-Fotograf Bernhard Winkler. Wegen des in den 1860er Jahren wiederholt auftretenden trichinösen Schweinefleischs, strebte der Regierungsbezirk Liegnitz eine Untersuchungspflicht an. Nachdem in Spremberg mehrere Familienmitglieder durch den Genuss verseuchten Fleisches starben, führte der Muskauer Magistrat 1875 die Pflicht der mikroskopischen Fleischbeschau ein. Dazu bestimmte er den Hof-Apotheker Neitzel später Manno sowie den Hof-Fotografen Bernhard Winkler mit ihren eigens dazu konstruierten Mikroskopen. Allen, die noch immer die Existenz der Trichinen anzweifelten, bot Winkler die Besichtigung des extra aus Guben bestellten trichinösen Fleisches in seinem Atelier an.8
Doch auch als Tüftler und Erfinder hat sich Winkler einen Namen gemacht. Für seinen „einfach zu handhabenden Korkenzieher“ und seine „Korkensicherung“ erhielt er 1880 je ein Patent.9 Im letzten Jahr seines Hierseins befasste er sich mit dem Grab der von Pückler aus dem Orient mitgebrachten Sklavin Machbuba – in ihrer Heimat Bilillee genannt. Den einfachen Erdhügel mit hölzernem Kreuz, der nach Pücklers Tod auf dem alten Friedhof verwaiste, veränderte er auf seine Kosten in einen zementierten Grabhügel mit einer sich windende Schlange, die Machbubas Heimat symbolisieren sollte. Auf den Hügel stellte er einen in hiesiger Gegend gefundenen schwarzen Stein, der in vergoldeter Schrift den Namen Machbuba trug. Um dieses Grab ließ er als Abschluss einen zementierten Rahmen mit Eckpfeilern setzten.10 So ist diese Grabstelle bis auf kleine Veränderungen bis heute erhalten geblieben.

Welchen Erfolg Winkler mit seiner 1884 gestarteten Suche nach einem geeigneten Platz zur Anlage eines „photografischen Glashauses, womöglich mit Wohnung dazu“ hatte, ist nicht bekannt. Bereits 1881 stahl ihm ein Unbekannter seinen am Haus befindlichen Aushangkasten, doch das sollte nicht sein letzter Schaden bleiben. Nach einem Brand in seinem Atelier im Juni 1897 verließ Bernhard Winkler Muskau mit unbekanntem Ziel. Von diesem Hoffotografen, der die Muskauer Stadtgeschichte durch sein Handwerk und seine Aktivitäten prägte, hat sich bislang kein Foto finden lassen. Sowohl seine Herkunft als auch sein weiterer Lebensweg nach dem Abschied von Muskau liegen bis jetzt im Dunkel der Geschichte. Nach 1900, als Fotos auch für die einfache Bevölkerung bezahlbar wurden, etablierte sich am südlichen Ausgang der Stadt der Fotograf Oscar Mihlan, der seit 1896 ein Geschäft in der Luisentraße 17 in Görlitz besaß. Er baute sich auf dem Gelände neben der heutigen Schmiede Klenner ein Glasatelier, das nach ihm Fotograf Paul Bänder so lange übernahm, bis er in der Schmelzstraße ein eigenes Haus mit Atelier besaß.

Neueste Nachrichten von Weißwasser, Juni 1911

Quellen:
1 Evangelisches Pfarramt Bad Muskau, 
   Kirchenbücher der deutschen Stadtkirche.
2 Muskauer Anzeiger, 1. Dezember 1880.
3 Muskauer Anzeiger, 12.Juli 1876.
4 Muskauer Anzeiger, 26. Juli 1876.
5 Muskauer Anzeiger, 7. Juli 1877.
6 Muskauer Anzeiger, 26. Juli 1876.
7 Muskauer Anzeiger, 2. August 1876.
8 Muskauer Anzeiger, 7. Nov. 1877.
9 Muskauer Anzeiger, 10. Januar und 7. Februar 1880.
10 Muskauer Anzeiger (Zur Chronik zu Muskau) Machbuba (Ajiameh), 
     der Fremdling unter Muskau’s Todten, Ausschnitt o.D.

 

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